Prophezeiung 20/11 (UA)

Tanz- & Objekttheater von
Neumann & Sembdner

Konzept & Texte
Philipp J. Neumann

euro scene leipzig, Hellerau – European Center fort he Arts (Dresden), Thalia Theater Halle

Infos zur Inszenierung

Auszug aus dem Sprechtext von Prophezeiung 20/11 

1– …das Organ wölbt sich in Mulden, dehnt sich um Gelenke und Knöchelchen, formt Gliedmaßen aus, prägt Fettpolster zu Landschaften, rahmt Keratin zu kuppigen Platten, öffnet Furchen zu Rissen und Löchern, Versorgungskanälen, Kommunikationsbuchsen, kleidet den Körper willkürlich mit Färbung und Harnisch und Ausdruck – macht Haut zur Fassade, zum Schutzwall und Torhüter, zur Hülle des menschlichen Leibes… 

…das Organ der Verbindung, der Beziehung und Paarung; wird berührt, ist berührender Zellverbund, fasst Mensch an und Tier, sich selbst auch, fasst Dinge und Leere, kontaktet die Nähe, fühlert hinein in den Lebensraum, reagiert auf Bedingungen, die sind, und Elemente: stellt Härchen auf, lenkt Tröpfchen hinab, hält Angriffen stand, stößt Schichten ab; sondiert Wärme, Kälte, Druck, sendet Botschaften weiter zur kalkulierenden, entscheidenden Mitte, die Botschaften zurückwirft an Muskeln, an Sehnen, die Schöpfer der Formen, die das Organ füllen und führen, zu Erkennungsritualen verdrehen, als Schild lenken, zum Pressen und Streichen und Kratzen und Reiben bedienen, zum Auftragen von Ölen, von Fetten, von Salben, zum Überstreifen von Geweben, von Leinen und Tüchern… 

…das Organ der Verwandlung, der Ausstellung und Einladung, Empfänger vielzähliger dekorativer, pflegender Substanzen: die Haut wird zur Leinwand*1, wo Farben und Stoffe und Düfte vermengt zu Melangen die Sitten des Trägers der Welt entgegenrecken; das Organ, das von Tinte durchdrungen zum Kunstwerk wird, von Spitzen durchbohrt Metallzapfen und -ringe hält: an Ohrlappen, Brauen, an Lippen und Warzen – Fremdkörper für das Organ, Satelliten des menschlichen Gemüts, Versuche, den Raumanspruch, die Aura, die Bedeutung des einen zu weiten, dem äußeren Ich das innere als Akzent zu verordnen… schmückender, schmerzender, reizvoller, reizender Beitrag zur Abgrenzung von der Monotonie der Milliarden, Millionen, die Hoffnung des Individuums, das Schaubild mutwilliger Manipulation des Körpers, rücksichtslos und unwissend der Schranken des Organs… denn kaum eine Lösung, kaum ein Material oder Stoff, der das Organ nicht verwirrt und Reaktionen provoziert, die neben der Aufgabe wirken… allergischer Aufschrei durch maßlose Nutzung bestimmter Produkte, durch Jahre des Lebens, durch Schwäche des Systems; die Warnung des Körpers … wie sie verformt die Natur, die Reinheit der Haut zu grotesken Gebilden, trockenem Schorf, quälenden Rissen, Flechten und Pusteln und Beulen an Arm, Brust und Nacken, Färbungen ins Rötliche, ins Bläuliche, ins Gelbe, flächige Wülste, entzündete Drüsen und Wurzeln, faulige Stellen, wo fortdauernder Druck eiternde Wunden entwickelt zu abscheulichen Bränden – Wehrstufe der äußersten Hülle, Verwerfungen ausgeprägter Sensibilität, doch auch Manifest inwendiger Nöte…

(Ende des Auszugs)

„Neumann / Sembdner verstehen es, so sanft zu verstören dass die Spannung nie zusammenbricht. Rätselhaft und Furcht erregend, aber auch ästhetisch. Tanz auf der Höhe unserer Zeit.“ 

kultiversum.de, Dezember 2010

„Kurz, knapp und überzeugend. Die ‚Prophezeiung 20/11’ fasziniert.“ 

Tanz, Januar 2011

„Eine beeindruckende Performance, die vor allem mit menschlichen Ängsten spielt.“ 

info tv Leipzig, November 2010

„Düster, etwas kopflastig und sehr bewegungsintensiv.“ 

Leipziger Internetzeitung, November 2010

„Düster, etwas kopflastig und sehr bewegungsintensiv.“ 

Leipziger Internetzeitung, November 2010

„Alles strahlt bei Philipp J. Neumanns Instinkttheater Bedrohung aus. […] Beeindruckend auch die bewegliche Decke aus Plastikwolken, die mal verengt, mal vergrößert und so den Raum genau absteckt, in dem sich wie ein Experiment die Suche der entmenschlichten Menschen abspielt.“ 

Leipziger Volkszeitung, November 2010

„Sperrig und doch intuitiv, abstrakt und anmutig, gibt dieser meditative Abend zu denken.“ 

Kreuzer (online) Leipzig, November 2010