Die Beschwörung der Oper (UA)
Kantate für gemischten Chor, Kinderchor, Orchester und Bigband von
Stephan König
Libretto von
Philipp J. Neumann
Ein Auftragswerk der
Oper Leipzig
Musikalische Leitung: Stephan König / Leipziger Universitäts-Chor / Gewandhaus-Kinderchor / Kinderchor der Oper Leipzig / BigBand und Jazzchor der Hochschule für Musik und Theater Leipzig / Leipziger Universitäts-Orchester
Uraufführung zur Wiedereröffnung des Opernhauses am 11.11.2007
Fotos: Andreas Birkigt
3. Teil der Kantate Die Beschwörung der Oper
C| Das Subjekt der Beschwörung
Gefestigt mit Serum, vom Mantra entflammt,
erkennt ihr den Wertbau, die Schönheit am Ort?
Die Fernsicht der Schallschicht,
die Mittel, den Willen, den Muskel der Kunst?
So wirkt und belebt als Genießer die Märkte:
kauft Acis-Anleihen, das Senta-Papier
und zeichnet Macbeth-Fonds, auch Aktien von Puck;
braut Säfte, Arznei’n und Essenzen der Huld!
Studiert alle Töne, Gesänge und Worte;
legt Lunte in Kreisen, in Gruppen, Partei’n;
sprengt Zwiespalt und Einfalt mit Andrang und Nachklang;
verkündet und lehrt die Beschwörung der Oper!
Sprengt Zwiespalt und Einfalt mit Andrang und Nachklang;
verkündet und lehrt die Beschwörung der Oper!
„Zu Beginn hat noch Stephan Königs pathetische, monumentale, bombastische Mantra-Kantate „Die Beschwörung der Oper“ auf einen geistreichen Text Philipp J. Neumanns für hohe Gefühle gesorgt.“
Leipziger Volkszeitung, November 2007
Von Zwergen, Riesen und Kindern (UA)
Kinderoper von
Frank-Steffen Elster
Libretto von
Philipp J. Neumann
frei nach drei Kunstmärchen von Oscar Wilde
Ein Auftragswerk des
Gewandhauses zu Leipzig
Uraufführung im Mai 2017
Auszug aus dem Prolog des Librettos Von Zwergen, Riesen und Kindern
Nr. 2 – SZENE
Während die Blumen weiterhin ihre Lockungen aussenden und die Vögel, Frösche und Eidechsen ihren Morgenbeschäftigungen nachgehen, streckt eine ältere Wasserratte mürrisch den Kopf aus ihrer Höhle.
WASSERRATTE (für sich)
Pah! Diese Frühaufsteher. Was soll das alberne Hopsen, Fliegen und Krächzen?
Ich halte gar nichts von so zeitigem Getümmel. Ein Jammerteich!
Eine Stockentenfamilie schwimmt über den See. Die Entenmutter versucht geduldig, ihren Kindern das Gründeln beizubringen.
ENTENMUTTER
Köpfchen nieder, Köpfchen hoch, Köpfchen nieder, Köpfchen hoch… (Wdh. ad lib.)
WASSERRATTE (für sich)
Schau an, das Fräulein Ente mit ihren Küken. Ob die frechen Schnäblein wohl heute auf sie hören?
ENTENMUTTER
…Köpfchen nieder, Köpfchen hoch. Jetzt ihr!
ENTLEIN (gelangweilt)
Nieder, nieder, nieder, hoch.
ENTENMUTTER
Nein, nein, ihr Kleinen. Köpfchen nieder, dann hoch. Köpfchen nieder, dann hoch.
ENTLEIN (gelangweilt)
Nieder, hoch, hoch, hoch.
ENTENMUTTER
Erst nieder, dann hoch. Hört mir zu, sonst gründelt ihr falsch!
ENTLEIN
Gründeln ist doof, Mama. Wir wollen lieber spielen. Und dann eine Nacktschnecke zum Frühstück!
WASSERRATTE (laut)
So ungezogene Kinder! Sie sollten ertrinken. Pah!
Die Wasserratte hat ihren Unmut so laut kundgetan, dass alle Tiere und Blumen am See es hören konnten. Große Betroffenheit reihum. Die Entlein verstecken sich ängstlich hinter ihrer Mutter.
ENTENMUTTER
Wie herzlos, Frau Wasserratz!
TIERE & BLUMEN
Wie herzlos, Frau Wasserratz!
ENTENMUTTER
Wir Eltern müssen Geduld haben und Nachsicht mit den Jungen. Jeder fängt einmal an.
Nr. 3 – ARIOSO DER WASSERRATTE & CHOR
WASSERRATTE
Geduld und Nachsicht? Fräulein Ente,
Bei diesen Rotzschnäblein bestünde
doch ohne starke Hand Gefahr,
dass sie verlottern, ganz und gar.
Streng sein! Streng sein! Harte Strafen!
ENTENMUTTER, ENTLEIN, TIERE & BLUMEN
Wie herzlos! Küken sind doch keine Sklaven.
WASSERRATTE (abschließend)
Zum Beispiel: Nestarrest.
Nr. 4 – SZENE
Die Entlein schwimmen brüskiert hinter ihrer Mutter hervor.
ENTLEIN
Die spinnt wohl, die Ratte.
WASSERRATTE
Pah! Freches Pack! Gutes Benehmen lernt ihr nie.
Ein grüner Hänfling aus der Gruppe der Finken kann sich nicht länger zurückhalten und fliegt zur Wasserratte.
HÄNFLING (zur Wasserratte)
Meine Dame, Sie verzeihen die Störung. Haben nicht Rute und Stock verhärtet noch jeden Bock?
Prägt nicht das gute Beispiel allein, der Lehre Sinn dem Herzen ein?
WASSERRATTE
Ich verstehe nicht ganz.
HÄNFLING
Nun, lassen Sie mich darüber eine Geschichte erzählen, meine Dame.
ENTLEIN
O ja, eine Geschichte!
TIERE & BLUMEN
Der Hänfling ist ein großer Erzähler!
WASSERRATTE
So so, ein großer Erzähler. Ist das wahr, mein kleiner Freund?
HÄNFLING
Nun ja, mein Vater war Waldschreiber in Sherwood. Dort passierte viel, worüber man berichten konnte.
WASSERRATTE
Also gut. Wenn’s in der Geschichte um meine Person geht, will ich sie hören!
HÄNFLING
Sie können sie auf sich beziehen, Frau Wasserratz.
ENTLEIN (aufgeregt)
Fang an, fang endlich an!
TIERE & BLUMEN
Pssssssst!
Die Tiere haben einen Kreis um den Hänfling gebildet, die Gladiolen recken ihre Blüten in seine Richtung, um besser hören zu können. Der Hänfling räuspert sich, holt tief Luft und beginnt seine Erzählung.
(Ende des Auszugs)
Mörder Kaspar Brand (UA)
Oper von
Anno Schreier
Libretto von
Philipp J. Neumann
frei nach Motiven von
Edgar Allan Poe
Ein Auftragswerk der
Deutschen Oper am Rhein, Düsseldorf
Auszug aus dem 1. Bild des Opernlibrettos Mörder Kaspar Brand
1. SZENE
Ein Abend im Jahr 1975, im Salon privé des Restaurants La Fidélité vor der Eröffnung desselben am nächsten Tag. Der Raum ist noch ungeschmückt, die Beleuchtung trüb. Überall auf dem Boden stehen Kisten mit Girlanden und Zierwerk, an einer Wand fällt eine große Standuhr ins Auge. MORITZ SANDELMANN, Inhaber zahlloser Restaurants, ist zu Gast bei seinem Geschäftskollegen KASPAR BRAND. Man hat es sich in einer Loungeecke gemütlich gemacht. Die Stimmung ist heiter. Brand schenkt Sandelmann einen erstklassigen Wein nach dem anderen ein. Sandelmann ist bereits angetrunken und erzählt euphorisch eine Erfolgsgeschichte, so wie er das wohl des Öfteren gern tut.
SANDELMANN
Ich! Ich, lieber Brand! Ich schaffte die größte Beute und keiner dieser eifrigen Waldburschen. Beharrlichkeit wächst eben nicht auf Bäumen.
BRAND
Wie Recht du hast.
SANDELMANN
Ich warte also. Geduldig, wie es meine Art mir erlaubt. Der Fleckschuss stimmt. Ich bin bereit. Drei Stunden verhalte ich mich still. Dann erscheinen gleich zwei! Voilà, mein Instinkt zahlt sich aus.
Ich beobachte die Beiden, im Streite beschäftigt. Sie wittern mich nicht, sind geil von der Brunft. Der Alte, ein prächtiger Zehnender, gefordert vom Heißsporn. Sie keilen und haken, sie stoßen mit Wucht, wie Kolben krachen die Geweihe. Es ist ein ungleicher Kampf. Der Junge, in Kräften unterlegen, ist doch starrköpfig und wild. Er lässt nicht ab. Das Erbgut muss gestreut werden, so zwingt ihn die Natur. Doch nur einer kann siegen, nur einer das Weibchen bepaaren, nur einer…
BRAND
…wärst du nicht auf Pirsch!
SANDELMANN
Tout à fait! – Ich bin wachsam. Ich will den rechten Moment abmessen, will sie ermüdet sehen… Und so kommt es. Ich drücke den Abzug, das junge, mutige Tier stürzt tot zu Boden… Der Alte, schwach von der Wehr, kommt selbst (/selber) nicht weit. Die Flucht kürz ich ab!
BRAND
Waidmanns Heil!
SANDELMANN
Albernes Geschwätz! Geduld und zwei Schuss. Mehr brauchte ich nicht… Ich kann dir sagen, Brand: es gibt den dritten, der sich freut!
BRAND (etwas zerknirscht)
Nun, von Erfolg lässt sich reden.
SANDELMANN
Sei nicht betrübt, lieber Freund. Du kommst schon wieder auf die Beine.
BRAND
Dank deiner Almosen.
SANDELMANN
Kredit! Kredit, lieber Brand. Unter Freunden. Kaum der Rede wert, die Summe.
BRAND
Für dich nicht, gewiss… und welchem Etablissement hast du die „Hörner aufgesetzt“?
SANDELMANN
Im Hunter’s Hollow. Wo sonst?
BRAND
Wo sonst.
SANDELMANN
Sie prangen über dem Eingang zur private Lounge. Gleich neben den antlers from Brooke’s Range.
BRAND (ironisch, für sich)
Wo sonst.
(erhebt sein Glas)
Also dann: Auf die erfolgreiche Jagd!
SANDELMANN
Nein, nein. Auf deine Eröffnung, morgen Abend!
Sandelmann leert sein Glas. Brand trinkt nicht.
(Ende des Auszugs)
„Große Gefühle zwischen Zirkusglanz und Mörderseele“
Westdeutsche Zeitung, Juni 2012
„Bewegende Uraufführung von Anno Schreiers Mörder Kaspar Brand in Düsseldorf. […] Das ist fantastisch und handfest. Gleiches gilt für Neumanns Inszenierung, der als magisches Bild für den zerrütteten Geisteszustand Kaspar Brands eine Zirkusarena nutzt und Bilder von irrlichternder Normalität und bestürzender Wahnsinnigkeit kreiierte.“
Badische Neueste Nachrichten, Juni 2012
„Neumann, der auch als Regisseur und Szenograf der Uraufführung in der ehemaligen Paketpost am Düsseldorfer Hauptbahnhof ist, lässt Schattenspiel, archaische Tiersymbole und einen Pantomimen auffahren und übersetzt geschickt die schnellen Schnitte der Handlung.“
Opernwelt, August 2012
„Ausgezeichnet Neumanns Personenführung in und um das Kreisrund der Arena. […] So darf man den kurzen Abend an der kleinen Spielstätte sehr wohl als gelungenen Einstand desse bezeichnen, was die Deutsche Oper am Rhein als Uraufführungsserie angekündigt hat.“
opernnetz.de, Juni 2012
„Es ist eine grausige, aber durchaus plausible Geschichte, die Librettist Philipp J. Neumann da auftischt. Abgesehen von einigen gestelzten Formulierungen ist eine spannende Opernvorlage entstanden.“
Theater Pur, Juni 2012